Mit dem Fahrrad durch Stockholm
Montag: 09.08.2010 - 28 km/ 2394 km mit dem Fahrrad und 2 Stunden zu Fuss
(letzteres war anstrengender)
.Was sagt der alte Seume zu Stockholm.!?:
"Stockholm wird nicht zu Unrecht das Paradies des Nordens genannt, wenn man die schönen Gruppierungen der Gegend nimmt. Man kann es vielleicht kaum eine Stadt nennen; denn man merkt fast nirgends, dass man eingeschlossen ist: und ueberall hat man die Aussicht ins Freie. Stockholm ist einer der lieblichsten Plätzchen, die ich gesehen habe: und wenn der Malär die Sonne des Arno hätte, wuerde hier mehr Elysium sein, als in Florenz." ( Dem ist eigentlich nichts hinzu zu fuegen, zumal die Stadt in ihrer Struktur und Bebauung si´ch in den letzten drei- bis vierhundert Jahren zumindest im Altstadtbereich kaum verändert hat.)
Allen Befuerchtungen zum Trotz habe ich eine ruhige Nacht. Dies mag zum einen an den 30-Minuten-Kurzschlaf der letzten Nacht liegen, zum anderen wohl auch an der herrlich einlullenden Wiegebewegung, die das Schiff permanent macht und natuerlich am Ohropax, das heute Nacht seinen ersten Einsatz hatte. Von meinen Zimmergenossen lerne ich eigentlich nur Somia aus Suedkorea kennen, die einen dreiwöchigen Trip durch Europa macht - London, Stockholm, Helsinki, Budapest und Kroatien. Alles klar. Sie ist ganz gluecklich, als ich helfe, die stinkenden Hosen und das dazugehörige Hemd eines unserer Zimmergenossen, welche direkt neben ihrem Kopfende hängt, auf den Gang zu befördern. Den Rest der Mannschaft lerne ich nicht einmal schnarchend kennen. Zwei und Somia sind heute morgen schon verschwunden und die beiden Russen sehe ich nur noch mit ihrem Rucksack das Zimmer verlassen. Gern hätte ich das messimäszige Bett des einen noch fotografiert, doch während ich fruehstuecken war, haben sie alle ihren Muell eingepackt. Als sie mich uebrigens mitbekommen, wechseln sie sofort vom
Russisch ins Englisch. Dies erinnert mich an ein Erlebnis vom Vorabend, als ich in der Fuszgängerpassage mit mindestens 60 Leuten eine halbe Stunde 4 jungen russischen Musikern lauschte. Die vier spielten Streichquartette von Händel, Mozart und Grieg so einfuehlsam und intonationssicher, dass die Menschen andächtig stehen blieben, begeistert Beifall zollten und sich ihr Geigekoffer ordentlich mit Scheinen fuellte. Dies war keine gewöhnliche Straszenmusik. Natuerlich gibt es immer wieder ein paar Kunstbanausen, die eben nicht um diese Szenerie herum- sondern mittenhindurchlaufen muessen. Einmal kamen zwei besonders finster schauende Schweden, die sich auch noch deutlich hörbar Russkis zuzischen mussten. Nun worauf will ich hinaus. Randgruppen, obwohl es sie durchaus gibt, sind, glaube ich, auch oder besonders hier in Schweden in der Öffentlichkeit nicht so gern gesehen. Wenn ich da an Dänemark denke, wo Behinderte ganz offensiv am öffentlichen Leben teilnahmen. Eine Beobachtung, die auch Moritz (ihr erinnert euch) teilte. Ich denk an die nächtlichen Buechsensammler, die ich auch in Stockholm nur im Verborgenen sehe. -
Und mein Seume sagt dazu, nachdem er von einem Hotelangestellten etwas krumm angesehen wurde: "Der schön geputzte Merkur sah mich und meinen Tornister ziemlich zweideutig an, als ob er intimieren wollte, wir beide gehörten wohl nicht hier her. Denn wer in der Welt nicht auch sogleich Gold von auszen hat, oder durch den Anschein verspricht, ist in Ewigkeit ein Lump, wie sich unsere feinen Leute ausdruecken, auch wenn er in der Tasche in Dukaten wuehlte. Es kommt ueberall nur auf den Schein an. Man braucht weder gelehrt noch weise, noch brav noch gut, noch gerecht zu sein, wenn man nur so aussieht, als ob man alles wäre."
Ich weisz nicht ob dies schon mal jemand geschrieben hat, aber fuer mich sind die Schweizer des Nordens. Und da gibt es ja auch diese Parallele mit der Neutralität. Schweden hat ja, so wie die Schweiz mit ihren Banken, durch Stahlexporte und sicher auch durch die vielen Emigranten durchaus am Krieg partizipiert.
Ach so, der letzte Mitbewohner und auch der einzige, der heute Nacht noch da ist, muss, so schliesze ich aus seiner kurzen Begrueszung Schwede sein. Ansonsten wechselt heute die ganze Belegung. - Wie schoen. "Ich muss blosz als erster schnarchen." - Somia treffe ich heute uebrigens wieder. Sie hat nur das Zimmer gewechselt, sich aber nicht verbessert, wie sie sagt. Zum Abschied streichelt sie mein Fahrrad: "Good Boy!" Ob es das wohl verstanden hat :-) .!?
So ein Jugendherbergsfruehstueck kann fast fuer den ganzen Tag reichen, besonders wenn man sich noch zwei Brötchen mitnimmt. Ich brauche mindestens eine Stunde, was die Russen ja bekanntlich ausgenutzt haben, vor allem, weil ich es liebe der Euphonie der Stimmen zu lauschen. Da mischt sich Englisch mit Schwedisch und Französische mit Deutsch und anderes was ich nicht mal erkenne geschweige denn verstehe. Und das ist so herrlich einfach diese Summen wahrzunehmen und (vielleicht zum Glueck) nichts zu verstehen.
Ueber Stockholm liesze sich unendlich viel schreiben. Denen, die es kennen, wäre es zu wenig, und denen, die noch nicht hier waren, muss man zurufen: "Kommt her!" Besonders im Sommer ist diese Mischung aus Wasser, Gruenanlagen und urbanen Flächen das Beste, was eine Stadt bieten kann.
Doch vielleicht noch eins: Mit dem Fahrrad kommst du gut durch Stockholm, obwohl hier schon etwas aggressiver gefahren wird als andernorts. Und du siehst wirklich die ganze Stadt. Fahrradvermietungen gibt es allerorten. Die meisten Hotels geben sie dazu.
Und noch eins: Am Stureplan findest du eine schlechtsortierte, aber uebervolle Buchhandlung, in der ich heute sicher eine Stunde verbrachte. Neben schwedischen Titeln kauft man dort vorrangig englische Buecher. Ich fand aber auch spanische, italienische und französische. An deutschen Titeln waren nicht allzuviel da, aber der Goethe, die Hertha Mueller und die Sarah Kirsch fehlten nicht. Ein besonderes Schmäkerl: Gedicht einer Japanerin ueber Europa auf deutsch. Ach und der Katalog der Frida-Kahlo-Ausstellung in Berlin hat den Weg nach Stockholm gefunden. - Der Vorteil der alphabetischen Unsortiertheit in den Regalen ist, dass man plötzlich auf Buecher stöszt, die man weder erwartet noch gesucht hat.
Dies muss reichen zu dieser wirklich schönen Stadt, die ich jetzt noch etwas geniesen werde. Vielleicht geht es zum Dansensgarden, wo ich vor gut zwei Stunden einer mindestens 15 köpfigen Big-Band beim Soundcheck lauschte und ide wirklich wunderbare Musik machten. (Aber die Tänzer, die dort nach und nach eintrafen, waren meist Paare ueber 50, also schwer fuer mich eine Tänzerin zu finden....) Auf alle Fälle wird der Abend auf Deck "meines" Schoners mit Blick auf die Altstadt und einem Bier enden. Zum Abschied sollte es ja eigentlich ein Wein sein, aber ich habe nicht einen von diesen staatlichen Alkoholläden gesehen. Der Blick durchs Schaufenster in Visby wird also meine einzige Erfahrung auf diesem Gebiet bleiben.
Skol MO
Ach so, der letzte Mitbewohner und auch der einzige, der heute Nacht noch da ist, muss, so schliesze ich aus seiner kurzen Begrueszung Schwede sein. Ansonsten wechselt heute die ganze Belegung. - Wie schoen. "Ich muss blosz als erster schnarchen." - Somia treffe ich heute uebrigens wieder. Sie hat nur das Zimmer gewechselt, sich aber nicht verbessert, wie sie sagt. Zum Abschied streichelt sie mein Fahrrad: "Good Boy!" Ob es das wohl verstanden hat :-) .!?
So ein Jugendherbergsfruehstueck kann fast fuer den ganzen Tag reichen, besonders wenn man sich noch zwei Brötchen mitnimmt. Ich brauche mindestens eine Stunde, was die Russen ja bekanntlich ausgenutzt haben, vor allem, weil ich es liebe der Euphonie der Stimmen zu lauschen. Da mischt sich Englisch mit Schwedisch und Französische mit Deutsch und anderes was ich nicht mal erkenne geschweige denn verstehe. Und das ist so herrlich einfach diese Summen wahrzunehmen und (vielleicht zum Glueck) nichts zu verstehen.
Ueber Stockholm liesze sich unendlich viel schreiben. Denen, die es kennen, wäre es zu wenig, und denen, die noch nicht hier waren, muss man zurufen: "Kommt her!" Besonders im Sommer ist diese Mischung aus Wasser, Gruenanlagen und urbanen Flächen das Beste, was eine Stadt bieten kann.
Doch vielleicht noch eins: Mit dem Fahrrad kommst du gut durch Stockholm, obwohl hier schon etwas aggressiver gefahren wird als andernorts. Und du siehst wirklich die ganze Stadt. Fahrradvermietungen gibt es allerorten. Die meisten Hotels geben sie dazu.
Und noch eins: Am Stureplan findest du eine schlechtsortierte, aber uebervolle Buchhandlung, in der ich heute sicher eine Stunde verbrachte. Neben schwedischen Titeln kauft man dort vorrangig englische Buecher. Ich fand aber auch spanische, italienische und französische. An deutschen Titeln waren nicht allzuviel da, aber der Goethe, die Hertha Mueller und die Sarah Kirsch fehlten nicht. Ein besonderes Schmäkerl: Gedicht einer Japanerin ueber Europa auf deutsch. Ach und der Katalog der Frida-Kahlo-Ausstellung in Berlin hat den Weg nach Stockholm gefunden. - Der Vorteil der alphabetischen Unsortiertheit in den Regalen ist, dass man plötzlich auf Buecher stöszt, die man weder erwartet noch gesucht hat.
Dies muss reichen zu dieser wirklich schönen Stadt, die ich jetzt noch etwas geniesen werde. Vielleicht geht es zum Dansensgarden, wo ich vor gut zwei Stunden einer mindestens 15 köpfigen Big-Band beim Soundcheck lauschte und ide wirklich wunderbare Musik machten. (Aber die Tänzer, die dort nach und nach eintrafen, waren meist Paare ueber 50, also schwer fuer mich eine Tänzerin zu finden....) Auf alle Fälle wird der Abend auf Deck "meines" Schoners mit Blick auf die Altstadt und einem Bier enden. Zum Abschied sollte es ja eigentlich ein Wein sein, aber ich habe nicht einen von diesen staatlichen Alkoholläden gesehen. Der Blick durchs Schaufenster in Visby wird also meine einzige Erfahrung auf diesem Gebiet bleiben.
Skol MO
Hallo Maik, Neid, Neid, Neid! Ich hab Stockholm mal kurz kennenlernen dürfen quasi als "Belohnung" für überlebte Blinddarm-OP vor Jahren. War schön dort, viel Wasser und Schaufelraddampferfahrt nach Schloss Gripsholm.
AntwortenLöschenDu schreibst schön bildhaft, danke dafür. Neid aber auch aus anderen Gründen - du weißt ja, wie wir seit Montag leiden. Ach je...
Viel Spaß weiterhin Delia
He Delia, hier ist auch nicht den ganzen Tag Sonnenschein. Aber du hast schon recht, es ist irgendwie genial. Leider musste ich natuerlich weiter, obwohl ich gern noch etwas vom Musikfestival, das zwei Tage später begann, etwas mitbekommen hätte. Aber da ich meine Wintereifen zu Hause gelasen habe und es hier auch schon richtig herbstliche Tage gibt, bin ich jetzt wieder auf dem Weg Richtung Sueden. Liebe Gruesze aus Turku sendet Maik
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