Donnerstag, 26. August 2010

Meine Reise durch Litauen

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32. Etappe: 24.08.2010: Riga - Pakruojis (133 km- 3505 km)
Am Morgen "besuche" ich noch mal meinen Fahrradmechaniker, da am Vorabend mein Licht plötzlich nicht mehr geht. Außerdem muss die Schaltung noch mal nachgestellt werden. Wir werkeln eine knappe halbe Stunde herum, kommen, was das Licht betrifft, aber zu keinem wirklichen Ergebnis. Seine Handwerkerehre (oder was auch immer) verbietet es ihm von mir Geld zu nehmen, zumal ich ihm am Vortag schon ein kleines Trinkgeld gegeben habe, so dass wir uns freundlich mit Handschlag verabschieden. Obwohl ich kein Wort Lettisch und er kein Wort Deutsch oder Englisch sprechen, verstehen wir uns bei der Arbeit prächtig. Ich hätte es zwar auch mit Russisch probieren können, aber man muss mit der Sprache der Besatzer vorsichtig sein. In Riga leben zwar ca. 40 % Russen, die zu Sowjetzeiten auch kein bisschen Lettischen lernen brauchten, da ja Russisch Amtssprache war, und die auch heute in ihren eigenen Communitis leben, aber die eigentlichen Letten wohlen nicht Russisch angesprochen werden. Als ich vor Tagen in Riga einreiste, fuhr ich durch einen russisch bewohnten, sehr heruntergekommenen Vorort. Dort sprechen dich die Männer vorm Supermarkt zwischen 20 und 40 direkt an, ob du Zigaretten hast oder ihnen ein Bier mitbringen kannst. Einige Läden erinnern noch an die Ostzeiten. In diesen Geschäften gibt es keine Selbstbedienung, sondern die Verkäuferinnen reichen dir das Gewünschte über den Ladentisch. Alle in der Schlangen hinter dir können so in Ruhe verfolgen, was du einkaufst, und haben genügend Zeit zu überlegen, ob sie das auch brauchen. - Insgesamt bin ich im Gebrauch der Sprache in Lettland außerhalb der üblichen Touristenpfade, auf denen stets ein gutes Englisch gesprochen wird, ziemlich unsicher, zumal mein Schulrussisch eh zu nichts mehr zu gebrauchen ist.
Heute ist ein Tag an dem auch keine 3-D-Brille hilft. Der Wind weht straff von Südwest und ich muss in Richtung Süd. Die einzige direkte Verbindung Richtung Kaunas/ Litauen, die ich auf meiner Karte finde ist zudem die A7 - eine Fernverkehrsstraße, die mir einen Randstreifen von 15 - 50 cm bietet. Wenn sich auf einer solchen zweispurigen Straße zwei LKWs begegnen, kannst du nur deinen Lenker sehr fest und gerade halten und beten, dass du von hinten nicht gestreift wirst, oder schnell in den Sandstreifen fahren. Nach ca. 60 km bietet sich die Gelegenheit auf kleineren Straßen weiterzufahren. So erreiche ich Bauska mit seiner schönen Renaissanceburg. Hier gibt es nach der Besichtigung auch noch die Gelegenheit die restlichen LETI in eine warme Suppe und ein leckeres Kräuterbier umzusetzen. Die auf der Karte eingetragene Straße über die grüne Grenze verwandelt sich für einige Kilometer in eine Schotterpiste und führt mich anschließend durch dutzende winzige Ansiedlungen und über riesige Felder. Für jede Baumgruppe bin ich dankbar, weil sie zumindest teilweise den starken Gegenwind bricht. Als sich der nächste auf meiner Karte schon ziemlich groß geschriebene Ort, auch wieder nur als "Kuhdorf" offenbart, bereue ich schon ein wenig, nicht den offiziellen Grenzübergang genommen zu haben. Die Sonne nähert sich dem Horizont und ich habe weder etwas zu Essen (bis auf meine Müsliriegel-Notreserve und einen Apfel) noch littauisches Geld. Ein Cashgeld-Automat oder ein Hotel, in dem man mit Kreditkarte bezahlen kann, ist hier nicht zu erwarten und auch andere Unterkünfte oder Campingplätze sind hier nicht zu erwarten. In einem Dorfkonsum gelingt es mir dann doch noch mit viel Geduld und Einsatz zweier Karten meine Vorräte aufzufüllen, allerdings ist die Kommunikation ziemlich schwierig, denn von meinen Brocken Russisch wollen die Verkäuferinnen gar nichts wissen und selbst mit den herbeigerufenen Teenagern ist ein Gespräch auf Englisch nicht zielführend. Doch irgendwann kommt der das Wort Hotel und der Finger auf die Karte und einen Ort, der noch 15 km entfernt ist. Und das in der Dämmerung und ohne Licht. Ich erreiche das Örtchen, das eine gut beschilderte Tankstelle. Auf der Suche nach einer Herberge sehe ich vor einem Restaurante ein bepacktes Fahrrad. So lerne ich Pjotr kennen, der eben noch schnell sein Schnitzel aufessen will, bevor er dem Tipp einer Litauerin folgend eine kleine Insel in einem Schlosspark, den ich vor wenigen Minuten passierte, suchen will. Er weist mir noch den Weg zum Geldautomaten und nachdem er sein Schnitzel verdrückt hat, machen wir uns gemeinsam auf die Suche. Bald finden wir die romantische Insel und Vilmante, eine Radlerin aus Vilnius. Nachdem wir bei Vollmondlicht und dem unserer Stirnlampen die Zelt aufgebaut haben, verbringen wir den Abend bei Tee und Kerzenschein in einer Melange aus EngLitDeuPolnisch. So verbringe ich meine erste Nacht in Litauen umgeben von Wasser mit einer Litauerin und einem Polen.

33. Etappe: 25.08.2010: Pakruojis - Seduva (35 km - 2947/3540 km)
Der Morgen begrüßt uns mit Regen und herbstlichen Wind. Erst meint man, er wolle gar nicht mehr enden, doch gegen zehn reißt der Himmel auf. Während unsere Sachen trocknen, legen wir alles was wir haben auf unseren großen Frühstückstisch im grünen Gras und jubilieren mit jedem Sonnenstrahl ein bissl mehr. Es gelingt uns, unsere Sachen trocken einzupacken. Da die nächsten Regenwolken heranziehen, verabschieden wir uns kurz aber herzlich. Ich bekomme von Vilmante zum Abschied noch ein Basecape mit einem Aufdruck zur 1000-Jahr-Feier Litauens. - Während ich in Pakruojis auf der Post ein Päckchen versende und noch einige Landkarten kaufe, öffnet sich wieder der Himmel. So sind wir drei wenige Minuten später im Gasthaus, welches uns schon am Vorabend zusammenführte, vereint. Kurze sonnige Abschnitte wechseln mit heftigen Regenschauern. Keiner von uns will wirklich aufs Fahrrad. Irgendwann gegen halb drei, nachdem es mindestens zehn Minuten nicht geregnet hat, brechen wir auf. Die beiden haben inzwischen festgestellt, das sie den gleichen Weg und außerdem das Glück haben, dass der Wind von hinten kommt. Mein Weg führt mich wieder gegen den Wind. Heute sind Windstärken bis 23 m/sec., das entspricht, wie ich später ausrechne, ca. 83 km/h. Dazu regnet es teilweise so stark, dass ich kaum noch die Straße sehen. Heute wäre es besonders gut durch waldreiche Gegenden zu fahren. Doch hier gibt es nur riesige Felder. Nur selten findet sich eine Baumgruppe, die den Wind ein wenig bricht oder eine Möglichkeit zum Unterstellen. Nach meinen bisherigen Erfahrungen ist hier im Inland kaum mit Unterkünften zu rechnen. Ich bin nach gut 3 Stunden und 30 Kilometern trotz Regenbekleidung völlig durchnässt und am Ende meiner Kräfte. Der nächste größere Ort ist noch 15 km entfernt, vielleicht gibt es dort etwas....., doch dann ist es kein Fata Morgana sondern ein wirkliches Hotel, welches mir eine heiße Dusche, ein warmes Essen und einen PC im Büro des sehr gut deutschsprechenden Direktors (die Tastatur ist übrigens auch deutsch, so dass ich die sz und ue weglassen kann) bietet. Abends sehe ich noch die deutschen Nachrichten. Das Wetter ist dort offenbar ähnlich mies. Ansonsten hüte ich das Bett.

26.08.2010: Seduva - Kaunas

Nach einem vorzüglichen Frühstück stehe ich schon mit bepackten Fahrrad zur Abfahrt bereit. Doch es beginnt gerade wieder stark zu regnen. Der Hals kratzt. Die Glieder zwicken. So kann ich dem Angebot des Direktors nicht wiederstehen, der heute Abend mit seinem Bus in Kaunas einen Geschäftspartner vom Flughafen abholen wird: Ich kann in seinem Büro den PC benutzen, während er momentan unterwegs ist, und er wird mich heute Abend mit nach Kaunas nehmen, wo ich dank HRS ein gutes & günstiges Hotel gebucht habe. Ein solcher Joker war in meiner Planung eigentlich gar nicht vorgesehen, doch bei jedem Blick vom PC aus dem Fenster bin ich froh nicht gefahren zu sein. Vielleicht kann ich ja mit einem neuerlichen Ruhetag die heranziehende Erkältung verhindern. - Langsam kommen eh so Gedanken, ob es wirklich sinnvoll ist sich hier im Norden mit Sturm und Regen herumzuplagen, während man doch im Süden bei angenehmen Temperaturen unterwegs sein könnte. Auch wenn ich mich in Polen sehr auf die Masuren freue, ist dies sicher auch sehr wetterabhängig.
Gerade habe ich bei einem Kaffee mit dem Hoteldirektor ein Stündchen über Land und Leute geschwatzt. Der Mann hat zu Sowjetzeiten russische Sprache unter anderem auch 4 Jahre im böhmischen Pilsen unterrichtet. Er hat natürlich eine ganz andere Sicht auf das Thema Rußland als Vilmante, die zu Wendezeiten in Vilnius den Panzern gegenüberstand und absolut antirussisch eingestellt ist.
Für den Radfahrer: Verlässt man touristisch erschlossene Gegenden wie die Ostseeküste, muss man sich auf weite Wege ohne die Annehmlichkeiten des Westens einstellen. Zwar hat fast jedes Dorf einen Konsum, aber dort kann man nur bar bezahlen. Rechtzeitiges Tauschen ist also ratsam, während man auf Touristenpfaden eigentlich auch alles mit Kreditkarte bezahlen kann - Unterkunft, Restaurante, Supermarkt, Eintrittspreise ..... Auf dem Land gibt es nur an den großen Hauptverkehrsstraßen Unterkünfte - zumindest solche, die für den Ausländer erkennbar sind. Campingplätze habe ich keine gesehen. Zelten ist nur in waldreichen Gegenden möglich, da ansonsten weite Flächen landwirtschaftlich genutzt sind, allerdings würde ich mir auch bei besserem Wetter überlegen, ob ich einfach irgendwo campe, denn man wird auf den Dörfern ein bisschen wie ein Außerirdischer angesehen, wenn man mit dem schwerbepackten Fahrrad vorbeifährt. Auf den Dörfern ist der uns vertraute Wohlstand nur an wenigen Stellen zu sehen. Es gibt noch überwiegend alte Block- und Holzhäuser, die garantiert vor 80 oder 100 Jahren nicht anders aussahen. Symbol des Wohlstandes ist für viele ein großes, meist schwarzes Auto. Dem Rußausstoß nach wären diese Fahrzeuge bei uns z.T. nicht mehr zugelassen. Auch wenn ich einige rücksichtsvolle Fahrer erlebt habe, sollte man nie auf sein Recht vertrauen. Bei vielen Verkehrsteilnehmern gillt das Recht des Stärkeren, weshalb auch viele Radfahrer und Fußgänger am Zebrastreifen brav warten, bis kein Auto mehr in Sicht ist. Radwege sind teilweise ausgeschildert, allerdings gerade mit Gepäck absolut nicht zu empfehlen. Die Beschaffenheit ist meist sehr schlecht und das Brutalste sind die zehn bis fünfzehn Zentimeter hohen Bordsteinkanten. Ich ziehe es vor auch farblich gut sichtbar die Straße zu benutzen. Somit kann an auch mal den Verkehr ein wenig ausbremsen, um bei Regen keine Komplettdusche zu bekommen. Besonders nach den Starkregen der letzten Tage sind zeitweise mehr Pfützen als Straßenbelag sichtbar. Auch in Riga war ich bereits an Zeiten meiner Kindheit erinnert, als man als Fußgänger nach Regen höllisch aufpassen mußte, um nicht von den vorbeifahrenden Autos geduscht zu werden. Manchen Autofahrern scheint es offenbar Spaß zu machen, jede Pfütze mitzunehmen.

2 Kommentare:

  1. Hallo Maik,
    ich bin ganz begeistert von deinen Erlebnissen und kriege auch Lust nach Norden zuz fahren. Vielleicht nicht unbedingt mit dem Rad. Bei uns regnet es furchtbar, viele Keller stehen unter Wasser. Ich hoffe, dass das bei dir nicht eins zu eins ankommt. hast du Heimweh? bestimmt! Gegenwind ist völlig überflüssig, dass kann ich als Radlerin unterschreiben. Ich wünsche dir Ostwind und viel Sonne. Liebe Grüße Caro

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  2. Hi Caro, ich habe manchmal das Gefuehl, es hoert gar nicht mehr auf zu regnen. Irgendwie macht es keinen Spasz, wenn man immer nur auf ein Regenloch hoffen muss. Jetzt sitze ich in Warschau und hoffe, in den Zug nach Gdansk mit dem Fahhrad zu kommen, denn eigentlich sind alle Plaetze ausgebucht. Na und dann sind es ja nur noch 500 km. Ich hoffe, du bist nicht vom Hochwasser betroffen und wir sehen uns an einem hoffentlich warmen Altweibersommertag in der Heimat. Liebe Gruesze Maik

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