Dienstag, 20. Juli 2010

Nachrichten aus dem Spielcasino
Den ersten internetfähigen Computer, dem ich seit Tagen begegne, finde ich in einem Spielcasino. Entsprechend sind die Preise. Aller 9 Minuten frisst er gierig 50 Cent. Außerdem schwebt die letzten 3 Minuten ein sternenblinkender Zauberer über den Bildschirm, um dich ans Weiterzahlen zu erinnern. Schlau, wie ich bin, dachte ich, versucht es mal in der Kurverwaltung, da konnte man in Karlshagen für 1,- € eine Stunde surfen, doch die wollen 50 Cent für schlappe 6 Minuten - das ist der Hammer.
Unter diesen Bedingungen kann man keinen Roman schreiben, es sei denn, der Verleger zahlt einen riesen Vorschuss.
Egal, statt in einer kühlen Bar sitze ich also nun im kühlen Casino-Keller und entkomme so auf alle Fälle der Mittagshitze, die ich gestern mächtig unterschätzte. Doch dazu später mehr.

1. Etappe: Karlshagen - Traumbucht 18.07.2010 - 100 km
Abreise mit Hinternissen
Es ist Sonntag. Nach einem ausgiebigen Frühstück und dem Zusammenpacken aller Sachen soll es nur noch einmal kurz mit Silke und Aaron in die Ostsee gehen. Anschließend hole ich in der Bargeld-Tankstelle mit dem großen roten S etwas Kleingeld und schwinge mich auf mein zum Glück noch nicht bepacktes Radel um zur Verabschiedung auf den Zeltplatz zu fahren. Plötzlich höre ich ganz in meiner Nähe ein lautes, pfeifendes Geräusch. Eh ich es richtig realisiert habe, stehe ich auf einem platten Vorderrad. Soviel zum Thema "unplattbare Reifen", denke ich. Ich suche den ganzen Fußweg ab um den verflixten Nagel oder die böse Glasscherbe zu finden. Nix.!? Beim Wechseln stelle ich fest, dass der Schlauch einfach geplatzt ist. An Aaron kann es nicht gelegen haben, der war ja in den letzten Tagen nur Hinterrad- und Gepäckträgertester, denn ich durfte für ihn Strand-Zeltplatz-Shuttle spielen. Irgendwie soll es noch nicht los gehen. Ich bin aber froh, den Schlauch nicht irgendwo in der Pampa mit vollem Gepäck wechseln zu müssen. So verschiebt sich der Start, auch auf Grund der "Abschiedsfeier", auf 14.30 Uhr. Zum Schluss gibt es noch ein Abschiedsfoto von Start und hoffentlich auch Ziel mit Sabines Hexenhaus im Hintergrund. Und das seht ihr jetzt.

Mein Weg führt mich über Wolgast und Greifswald nach Stralsund, alle drei durchaus ansehenswerte Hansestädtchen, wobei Greifswald mein Favorit ist. Vor einigen Tagen besichtigte ich mit Silke unter anderem auch auf der Suche nach unserem Sohn, der uns mit Zug nachreiste, einem superleichten Schlafsack und einem Ein-Mann-Zelt Stralsund und Greifswald. Abends, nachdem wir alles gefunden hatten, will ich ganz stolz mein neues Zelt aufbauen. Es war wirklich superleicht. Zu leicht. Nach einigen Versuchen und Selbstzweifeln ist mir klar, dass das Zelt mit einer winzigen Stange nicht aufzubauen ist. Zum Glück hat Sabine irgendwo im Garten noch ein kleines Aldizelt stehen, das Aaron für diese Nacht reichen muss. Am nächsten Morgen folgt natürlich der obligate Anruf im Trekking-Ausrüster. Wie komme ich nun an mein Gestänge, immerhin liegt Greifswald ca. 50 km weg, und haben die überhaupt noch eins da, denn wir kauften das "letzte Zelt". Ein verständnisvoller Mitarbeiter versprich mir nachzusehen und zurückzurufen. Und tatsächlich klingelt nach wenigen Minuten das Telefon. Der Chef ist dran. Er hat das Gestänge gefunden, entschuldigt sich dreimal und versprich einen Mitarbeiter loszuschicken. Eine Ankunftszeit kann er natürlich nicht nennen, denn in Wolgast, dem Nadelöhr auf die Insel, staut es fast immer. Nun gut: Alle Frauen und Kinder an den Strand. Ich vertreibe mir die Zeit an Sabines Laptop (ihr wisst schon womit :-). Nach einigen Stunden kommt der nette (ohne Anführungszeichen) Mitarbeiter tatsächlich, entschuldigt sich wieder einige Male und ist sofort bereit das Zelt mit mir gemeinsam aufzubauen. Ich nehme die fachmännische Einweisung gern an und bin zufrieden. Nach weiteren Entschuldigungen zaubert er zum Abschied eine Flasche leckersten Jahrgangs-Riesling aus seinem Rucksack. Das nenne ich Service.
Doch nun weiter im Text: Die ersten Kilometer fliege ich fast wie ein Vogel trotz Gegenwindes meinem Ziel (welchem wohl!?) entgegen. Ausgebremst werde ich erstmals in Greifswald, denn da ist Altstadtfest. Da ist einfach mal der Radweg gesperrt. Eigentlich wollte ich mich mit einem leckeren Bier auf dem Markt belobigen, aber auch noch Eintritt zahlen ....., würde der Norddeutsche sagen. Auf Umwegen erreiche ich den Hafen. Auch ein netter Platz ein "Lübzer" zu trinken. Frischgestärkt schwinge ich mich in die Pedalen. 25 km bis Stralsund, laut Karte verläuft die Strecke parallel zur Bundesstraße. Das könnte man in einer guten Stunde schaffen. Doch es kommt anders. Die Straße ist wunderschön - eine der herrlichen Alleen, die man bei uns kaum noch kennt. Leider auf Grund des Kopfsteinpflasters völlig fahrradfahrerfeindlich. Die Bundesstraße kann man auch nicht wirklich fahren, denn erstens ist Mindestgeschwindigkeit 30 verlangt, später wird sie zur absoluten Autostraße, und der Anreise-/Abfahrverkehr ist gnadenlos. Dazu kommt noch ein heftiger Gegenwind, so dass ich völlig platt Stralsund erreiche. Ich bin soweit und rufe am Ortseingang die "Altstadtpension" an, die wir schon letzte Woche besichtigten. Doppelzimmer 80,-€ ist nicht ganz billig, aber fürs Einzelzimmer hoffe ich auf ca. 50 €. Das sage ich dem Meister auch, nachdem er mir den Preis genannt hat: 70 €. Leider kommt er mir nicht einen Zentimeter entgegen. Na, die müssens ja haben, das ist zu viel!!!
Zum Glück rettet mich das Stralsunder Brauhaus. Hier gibt es 16 selbstgebraute Biere, die ich nicht alle koste. Eins hat sogar in diesem Jahr irgendeinen Bierpreis in Chicago gewonnen. Zum Bier esse ich noch eine Kinderportion Penne und beschließe, auch wenn es schon nach 20 Uhr ist, weiterzufahren. Nach ca. 15 Kilometer finde ich tatsächlich noch meinen Traumstrand. Die Mücken wollen mich nicht so richtig mein Zelt aufbauen lassen, aber 22 Uhr ist nun mal für Mücken Abendbrotzeit. Nachdem eine Familie mit 4 Hunden und ein nettes Pärchen, das nach baden noch ein wenig mit mir schwatzt, die Bucht verlassen haben, bin ich wirklich allein - Sterne, Mond und Meer. Es gibt sie auch bei uns noch - die individuellen Fleckchen. Das Bade hebe ich mir für den nächsten Morgen auf und das ist auch besser so. Wäre ich abends gegangen, hätten nur die Mücken ihre Freude gehabt, denn das Wasser ist seeeeeehr flach. Nach ca. 100 Metern erreicht das Wasser erstmals meine Wade. Bei gefühlten 500 Metern gebe ich auf, da das Wasser noch nicht über die Kniescheibe reicht. Nichts ist perfekt. Hier übrigens mein erstes Nachtlager. Der geübte Betrachter wird den Fotografen erkennen.

2. Etappe: "Traumbucht" - Waldhütte - 19.07.2010 - 108 km
Die ersten Stunden des Tages sind die besten auf dem Fahrrad. Wenn man es schafft, vor 7.00 Uhr auf der Piste zu sein, ist man mit den Fischen, die im Wasser springen, den Vögeln, die im Wasser und auf den Weiden ihr Futter finden, und all dem anderen Getier fast allein. Plötzlich springt eine Reh aus dem Schilf oder ein kleines Kitz starrt dich im Wald mit großen Augen an, bis es auf ca. 10 Meter Abstand plötzlich merkt, dass du nicht dahingehörst, und im Wald verschwindet. - Der erste Kaffee des Tages schmeckt auch ganz anders, wenn du schon 2 Stunden im Sattel gesessen hast. Meinen bekomme ich heute in Barth - einer netten Kleinstadt und dem Tor zum Darss. In Zingst picknicke ich gegen Mittag am Strand und schlafe ein. Mein Hintern schmerzt noch 2 Tage - aber nicht vom Radfahren. In Prerow suche ich anschließend in der Kühle der Kirche Trost und mache mein erstes Panorama-Bild. Hier das Ergebnis
In der Kühle des Abends radle ich noch einige Kilometer und finde im größten zusammenhängende Waldgebiet Norddeutschland kurz hinter Graal-Müritz diese Schutzhütte. Ein bissl unsicher bin ich schon, nachdem ich in einigen Orten die Wildscheine völlig distanzlos herumlaufen sah und auf dem Prerower Friedhof dringend gebeten wurde, alle Tore fest zu schließen, da sonst des Nachts die Wildschweine die Gräber verwüsten. Man muss sich erst wieder daran gewöhnen, in der freien "Wildbahn" zu campen, denn Nachts erwacht der Wald zum Leben. Überall ein rascheln und knarren. Allerdings können die Geräusche, die ich noch im wachen Zustand wahrgenommen habe, maximal von Mäusen oder Igeln stammen. Wenn ihr wissen wollt, wie laut ein Igel machen kann, müsst ihr mal mit Silke chaten.
Mein Schlaf wurde zum Glück von diesem netten Waldgeist bewachte.

3. Etappe: Waldhaus - ?????????
Hier seht schon mal mein zweites Panorama-Bild. Zwar war das Schiff nicht wirklich so lang, dafür aber unglaublich hoch: 14 Decks, geschätzte 30 - 40 Meter, Irrsinn und so etwas liegt im Hafen von Rostock. Den ersten Kaffee gab es übrigens kurz dahinter im eher beschaulichen Hafen von Warnemünde.
Ein Thema zu dem ich mich unbedingt demnächst ergießen werde: Radwege - Da gibt es ja je nach Bundesland, Schilderaufhänger oder Kartografen die unterschiedlichsten Auffassungen.
Also wen dies und der Fortgang der Reise interessiert, der schaut mal wieder vorbei.
Es ist bereits halb fünf, die Hitze ist hoffentlich weg und ich bin mindestens 10,- € leichter.
MO




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