Donnerstag, 22. Juli 2010

Aktualisierung vom 24.07.2010 am Ende des Textes

Geschätzter Leser: Es ist mir nicht möglich, dies alles Korrektur zu lesen. Ich bitte alle Fehler zu entschuldigen.

3. Etappe Waldhaus - Zierow - 98 km
Nach einer ruhigen und erholsamen Nacht ohne Wildschweine packe ich mein kleines Haus und alles andere in weniger als einer halben Stunde zusammen. Ist da schon ein bisschen Routine dabei .!? Frühstück gibt es im beschaulichen Hafen von Warnemünde, der eine herrlichen Kontrast zu den Kais davor mit ihren hochhausüberragenden Schiffen gibt. Weiter geht es über Heiligendamm, in dessen Grand Hotel leider kein Zimmer für mich zu haben ist. Auch der Versuch den großen merkelschen Strandkorb zu mieten scheitert an der Anzahl der mitmachenden Personen. (Georg und Vladimir sind leider grad nicht da.) Die lange Mittagpause im Casino Kühlungsborn findet ihr ja schon in der letzten Post.
Herrliche Steilküste kurz vor Rerick lädt zum Baden ein. Bei "penne al gorgonzola" und einem Weißbier am Hafen von Rerick werden Kindheitserinnerungen wach. Eine Tagesreise mit dem ersten Trabi meiner Eltern mit 100 Sachen über die Betonplatten-Autobahn, der dampfende Kühler auf dem Autobahnparkplatz, Reisen mit der Mollibahn und die denkwürdige Unterbringung unter einfachsten Umständen. Aber wir waren ja froh auf Empfehlung eines Onkels überhaupt ein Quartier gefunden zu haben. Heute ist das natürlich alles komfortabler. Aber ein kleines Deja-vu sollte es heute doch noch geben. Es ist bereits gegen Abend und ich habe mir Wismar als Zielpunkt gesetzt, Hansestadt Wismar - Weltkulturerbe. Vom Hafen aus telefoniere ich eine ganze Liste von Hotels und Pensionen ab, leider vergeblich, alle ausgebucht. Wie schön für die mecklenburgische Tourismusbranche, zumal ja schon fast jeder lukrative Fleck mit Bettenburgen zu gepflastert ist. Das einzige Angebot - eine 140,- € Suite - schlage ich dann doch aus.
Also wieder in den Sattel und hoffen, das noch irgendwo eine "Zimmer-frei-Schild" hängt. Kurz nach Rerick überholt mich eine bierbäuchiger, langhaariger Rennradfahrer, dem ich mich sofort ans Hinterrad klemme. Bei leichtem Gegenwind hilft ein bissl Windschattenfahren sehr und ich bin gleich 5 km/h schneller unterwegs. Wir kommen auch sofort ins Gespräch und zwangsläufig beim Thema Radwege an.
Hier nun mein Statement zum Thema Radwege:
Im Rückblick kann ich den Oder-Neiße-Radweg nur in den höchsten Tönen loben. Abwechslungsreiche Landschaft, gute Beschilderung, sehr gute Straßenqualität, gastronomisch und unterbringungsmäßig zumindest bis Schwedt zur gut, auf den letzten ca. 100 km bis Ückermünde wird es in dieser Beziehung etwas dünn. Wäre ich Radweg-Begutachter, würde ich sagen: Prädikat gut bis sehr gut, unbedingt empfehlenswert.
Nun zum Ostsee-Radweg Teil 2 von Ahlbeck nach Lübeck:
Im ersten Teil zwischen Usedom und Rostock lässt die Beschilderung einige Wünsche offen, ohne Karte sind die Chancen eher gering sein Ziel zu finden. Die Wegequalität ist zumindest für Reisende mit Gepäck teilweise mangelhaft. Relativ oft verläuft der Radweg zur Bundesstraße, doch das ist nicht das Problem. Die Mischung macht es. Man findet herrliche Allenstraßen leider mit Kopfsteinpflaster 20%, ehemalige NVA-Betonplattenwege 20%, Sandwege 30% und die Ortsdurchfahrten- besonders auf dem Darß- 10% sind das Beste. Da hast du zum größten Teil unbefahrbares Kopfsteinpflaster auf der Straße und der betonplattenbelegte Fußweg ist als Radweg ausgewiesen. Was gerade auf dem im positiven Sinne fahrradverrückten Darß los ist, wenn der Weg nur einen Meter breit ist und Fußgänger und in zwei Richtungen fahrende Radler ihn sich teilen sollen, muss man nicht ausführen. Der Rest ist so, wie man es z.B. vom Elberadweg kennt. Unterkünfte findet man kurzfristig im Sommer an der Küste eigentlich gar nicht und auf den Zeltplätzen wird man auch meist wegen Überfüllung abgewiesen. Da heißt es hartnäckig sein und erst einmal den Zeltplatz begehen. Die letzten 150 km bis zur ehemaligen Westgrenze werden straßenmäßig um zusehends besser. Wäre ich Radwege-Begutachter würde ich eine teilweise befriedigend bis ungenügend für Radwanderer geben und in der Saison abraten.
Vom Ostseeradweg Teil 3 Danzig - Usedom werde ich am Ende meiner Reise berichten.
Doch nun wieder zurück zum Text. Der Abend ist fortgeschritten, Wismar ohne Quartier passiert und ich bin schon innerlich auf eine Nacht am Strand eingestellt. Doch in der Kühle des Abends und nach mit Nudeln aufgefüllten Kohlenhydratspeichern läuft ist wunderbar, so dass ich noch bis gegen 22.00 Uhr fahre, eigentlich noch Lust habe weiter zu fahren, denn die Stunden am Abend sind mindestens genauso angenehm wie die am Morgen, und erst im letzten Dämmerlicht meinen ersten Zeltplatz erreiche. Zeltplatz dürfte man das zwar nicht nennen, denn nur 10% der Fläche ist den Zelten vorbehalten, 20 % sind Wohnmobilstellplätze und der Rest ist den fest installierten Wohnwagen vorgehalten, richtig schön mit Gartenzaun und Laternen. Die Weg tragen so vielsagende Namen wie "Da ham", "Rotweingasse" oder "Weinallee". Als ich mich auf die Suche nach dem Meer mache habe ich echt zu tun, einen Weg durch dieses Labyrinth zu finden.

4. Etappe Zierow - Travemünde - Ausflug Lübeck 72 km -Start 7.30 Uhr
Frühstück in Boltenhagen. Auch wird und wurde sehr viel gebaut. Ich erkenne es nach 15 Jahren kaum wieder. Auch hier Erinnerungen an alte Zeiten, als wir mit einer Dresdner Schulklasse eine Woche hier die Sommerfrische genossen. Eigentlich hatte ich mir ein idyllisches Frühstück am Meer vorgestellt, aber die einzigen drei Frühstückscafes befinden sich unmittelbar an der dichtbefahrenen Ostseeallee. Dafür gibt es ein sehr gutes, preiswertes Frühstück mit "Kaffee satt" und ein wunderbares Schauspiel: Es ist 9.00 Uhr und ein dicker Coca-Cola-Laster blockiert die halbe Fahrbahn zwecks Belieferung des Edeka-Marktes. Wenige Minuten später parkt ein Lübzer-Bier-LKW die andere Fahrbahnseite zu, um den Italiener mit Getränken zu versorgen. D.h. Vollsperrung. Es dauert keine drei Minuten und ein gefrusteter Wohnmobilist beginnt ein wildes Hupkonzert, in das bald weitere "relaxte" Urlauber einstimmen. Die Autoschlangen zu beiden Seiten werden länger und länger, auch eine Möglichkeit der Verkehrsberuhigung. Irgendwann findet sich ein rüstiger Rentner, der den "Lübzer-Fahrer" bewegt, seinen LKW einige Meter weiter zu fahren, und sich anschließend als ABV betätigt. Natürlich sind die Autofahrer so unvernünftig, dass sich irgendwann zwei Wohnmobile ineinander verkeilen. Also schnell weg hier. Kurz hinter Boltenhagen bastelt ein Mitvierziger-Rennradfahrer an seiner Kette. Wir kommen ins Gespräch und sind für die nächsten 25 km Partner. Ihm macht es scheinbar auch Spaß und er beschließt, seine morgentliche Tour bis an die ehemalige Grenze auszudehnen. Zwischenzeitlich habe ich mächtig zu tun, mit meine knapp 30 Kilo mehr mitzuhalten. Aber er wartet immer geduldig und so fliegen wir meinem Ziel entgegen. Er erzählt mir wie er kurz nach der Wende einen ehemaligen VEB-Bungalow in Boltenhagen kaufte, den er sich heute auch nicht mehr leisten könnte. So hat er ein gutes Bild von den Veränderungen hier im ehemaligen Grenzgebiet von den wilden Nachwendezeiten, in denen auf ehemaligen Armeegebieten heiße Partys gefeiert worden bis hin zu den Zeiten der "großen Investoren". Zum Schluss zeigt er mir noch den letzten schönen Strand bevor die verbauten West-Strände beginnen und radelt weiter. An der einsamen Bucht treffe ich eine vielbepackten jungen Radler. Und wie es der Zufall so will, kommt er gerade von einem dreiwöchigen Schweden-Trip, auf dem er nördlich von Stockholm in 14 Tagen schlappe 2000 km mit über 10.000 Höhenmetern gefahren ist. 14 Tage ohne Zeltplatz, nur im Zelt durch die schwedischen Berg, Tagesetappen von 100 - 220 Kilometer - Respekt. Es gibt viele Tipps zu Zeltmöglichkeiten, Karten, Land und Leuten. Nach gut einer Stunde fahren wir in gegensätzliche Richtungen. Letzter Ritt über die Fähre nach Travemünde. Dort erreiche ich den fast leeren Zeltplatz in der Nähe des Skania-Kais bereits 14.00 Uhr, so dass der Nachmittag für einen Besuch von Lübeck frei ist. Zu Lübeck wurde schon so viel geschrieben, dass ich mir das hier an dieser Stelle spare. Prädikat: Unbedingt ansehen - vielleicht nicht gerade bei 32 Grad am Abend.

5. Etappe: 22.07.2010- Travemünde - Fehmarn - 102 km
Nach letzten ausgiebigen Reisevorbereitungen und einem Besuch im Internet-Cafe breche ich in Richtung Fehmarn auf, wo ich Magnus, Kunsthistotiker und Freund aus wilden Dresdner Jugendtagen, zu treffen hoffe. Leider sind alle verfügbaren Telefonnummern falsch oder es wird nicht abgenommen. Also werde ich - so der Tipp eines Freundes - einfach in den Cafes von Burg nach dem stadtbekannten Magnus fragen .....
Heute werden im Laufe des Tages die ersten 1000 KM hinter mir liegen.
Morgen früh geht es , wenn alles klappt, auf die Fähre nach Dänemark. Ein historischer Moment für mich, denn ich werde erstmals in meinem "fortgeschrittenem Alter" skandinavischen Boden betreten.
Und erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Kurz nach Travemünde kommt der berühmte Timmendorfer Strand - Schicki-Micki ...
Nur für Insider!!! Und wen treffe ich da? Meine Ex-Schwipp-Schwägerin Doreen aus Hannover. Na mal sehen, ob das mit Magnus auch so klappt? Kurz vor Neustadt bekommt meine Rad noch eine Schonwäsche zur Feier des Tages. Dabei komme ich mit einem rasenmähenden 70-jährigen ins Gespräch. "So was wollt ich auch mal machen, aber dafür bin ich zu alt." Am Ende stellt sich heraus, dass er ein in Dresden geboren ist und unweit meiner ehemaligen Wohnung in der Dresdner Neustadt gelebt hat. Heute ist der Tag der Begegnungen.
In Neustadt erreiche ich den beschaulichen Markt mit dem Kilometerstand 1000 km 300 m. Das muss natürlich mit einem leckeren Cappuccino gefeiert werden, da die ersten 1000 ja bekanntlich die schwierigsten sind.
Die ersten Kilometer des Ostsee-Radwegs ab Travemünde sind wirklich super ausgebaut. Ich hänge mich einige Kilometer in den Windschatten einer flotten Radlerin. Ab Neustadt führt der Weg über Sandwege direkt an der Steilküste entlang mit vielen Plätzen, die zum Verweilen und Baden einladen. Es ist zwar anstrengend aber auch lohnend auf diesen Wegen zu fahren. Als ich gegen 18.00 Uhr allerdings erst 50 km und damit die Hälfte der Strecke bis Burg geschafft habe, beschließe ich auf die Fernverkehrsstraße zu wechseln, die zum Glück meist Radweg begleitet ist. Unterwegs treffe ich noch eine Radlerin, die gerade mit ihrem Schlauchwechsel auf Grund von Platten fertig ist. Also wird meine Hilfe nicht benötigt. Allerdings ist Zeit für ein nettes Gespräch über Woher & Wohin und ein gemeinsames Stück des Weges.
Die Überfahrt auf die Insel Fehmarn ist leicht abenteuerlich, da es eigentlich nur eine Art Autobahnzubringer gibt. Burg a.F. erreiche ich gegen 20.30 Uhr. Jetzt komme ich mir ein bisschen wie im Western vor. Ich gehe in die erste Kneipe, in der ich auch Einheimische vermute und frage nach Magnus. Fehlanzeige. Und wenn ich mir diese 8000-Seelen-Stadt, die im Sommer mit mindestens noch einmal 10000 Touristen bevölkert ist, anschaue, finde ich mein Vorhaben plötzlich auch ziemlich kurios. Trotzdem versuche ich es in der zweiten Bar. Die Gäste, alles Einheimische, verneinen. Doch plötzlich meldet sich der junge Barmann, Marco - wie ich später erfahre, und sagt, den würde ich im Cafe "Liebevoll" finden. Leider finde ich es nicht, außerdem hätte es auch schon zu gehabt. Nun muss wohl Plan B greifen: Ab nach Puttgarden und rauf auf die Fähre nach Dänemark..!? Letzte Idee: Wo suche ich einen Kunsthistoriker? Natürlich bei den Künstlern! Also klingel ich an einer privaten Galerie, deren Besitzer auch im Haus wohnen. Die Frau kennt Magnus, hat allerdings weder Adresse noch Telefonnummer. Ihr Geschäftspartner "könnte vielleicht" weiterhelfen, kommt aber erst in einer Stunde. Es dämmert bereits und ich habe noch keine Ahnung, wo ich schlafe. Also vielleicht doch zur Fähre? Ich beschließe noch eine Runde durch den Ort zu drehen. Nach einer halben Stunde erneuter Versuch: Er ist da! Hat allerdings ich keine Nummer. Will mir den Weg zu Magnus Wohnung erklären, doch ist er überhaupt da. Es ist kurz vor 22 Uhr. Im letzten Moment fällt ihm ein, dass am Kino ein Plakat von Magnus Sommerakademie hängt. Vielleicht finden wir da eine Nummer! Nach 200 Metern Spaziergang stellen wir fest "Erfolg". Ich wähle die Nummer, Magnus ist dran, erkennt mich sofort wieder und 5 Minuten später liegen wir uns nach 15 Jahren in den Armen. Dieses Wiedersehen wird natürlich gefeiert bis der letzte Laden so gegen drei in Burg schließt.
23.07.2010 Ruhetag auf Fehmarn
Nach dieser Nacht ist natürlich erst einmal ausschlafen angesagt. Schnell ist klar: Ich werde noch einen Tag bleiben. Nach einem ausgiebigen Frühstück bis gegen 14.00 Uhr im Cafe "Liebevoll", das es wirklich gibt, ist noch Zeit für den Fahrraddoktor, den mein Eisenross macht gestern schon wieder seltsame Geräusche. Ich kaufe mir auch eine "schicke Lenkertasche" (only for Silke) und erledige letzte Einkäufe (Mückenmittel, Gepäckspanner, Tütensuppen, ein glitzerndes Edelstahl-Camping-Kochgeschirr etc.). Jetzt ist, glaube ich, alles bereitet für die Reise.
Am Abend lausche ich Magnus bei seiner Sommerakademie zum wirklich interessanten Thema "Sprache und Schrift" mit anschließend anregender Diskussion.
Den perfekten Abschluss findet dieser Abend bei seiner Mama, die heute Geburtstag hat. Danke.
Und dass die Fehmaraner feiern können, erlebe ich in einer kleinen Disko, die wir erst im Morgengrauen verlassen. - Bin ich nicht ein Glückspilz.!?
Und falls mich ab morgen einige im Land der Dänen wähnen, dann ist das korrekt.
MO :-)

2 Kommentare:

  1. Danke, danke, danke, Du wackerer Radler und Schreiber, dass Du Dir für uns Daheimgebliebene oder Sesshaften, die Mühe machst uns lesend mit Deinen Augen durch die Sommerwelt diesseits und jenseits der deutschen See-Idyllen zu bewegen.
    Ich freue mich jeden Tag nach meiner anstrengenden Patientenpfllege auf das Lesen Deines Blogs.
    J. ist grad auf 4-wöchiger Kur in Rheinsberg, und so hab ich als Strohwitwe jeden Tag eine reale Postkarte im Briefkasten, und mit Glück Dein virtuelles Tagebuch aufm MAC.
    Stell Dir vor ALLTOURS hat unserem MATALA-Angebot auf Kreta das Auto gecancelt! Dieses Jahr bleiben wir Zuhause, oder bewegen uns radelnd vor der Haustür und in die Region.

    Liebe Grüsse und schönes Weiterpedalen
    von der Berlinerin P.

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  2. hi zoe, freue mich, dass du zur lesergemeinde gehoerst. das mit matala ist ja bloed. war ne schoene zeit. wir sind dieses jahr hoffentlich endlich zu unseren freunden in der toskana. liebe gruesze MO

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