
Auf meinem Weg ueber den Truppenuebungsplatz Richtung Vanneberga kreuze ich unter anderem den Artillerivägen

Von der West- zur Ostkueste Schwedens
11. Etappe: 29.07. - Malmö - Åhus - 130 km
Der Wind steht guenstig, es ist leicht kuehl und meist bewölkt - optimales Radfahrwetter. Nach einem Super-Fruehstueck und einer kurzen Sightseeing- und Fototour verlasse ich Malmö Richtung Osten. Ich segle durch leicht huegelige Agrar- und Waldlandschaft. Hie und da ein Bauernhof, ein Gestuet oder ein Golfplatz. Golf so erfahre ich später ist quasi schwedischer Volkssport - nicht so elitär wie in anderen Ländern - und ich werde noch viele Golfplätze sehen. Dort sieht man zwar auch die Leute mit klassischer Golfer-Kleidung, allerdings erspähe ich auch Leute im Trainingsanzug, die mit dem Fahrrad unterwegs sind.
Nach den Tagen in Hotels und Städten habe ich richtig Lust zu radeln und es geht wunderbar voran, so dass ich mir als Tagesziel die Ostkueste setze. Plötzlich lese ich ein Schild "Kristianstad 55" & erinnere mich an die Telefonnumme, die Ingrid mir auf Fehmarn gegeben hat. Eigentlich wollte ich erst morgen da sein, aber es ist erst 17.00 Uhr, das Wetter perfekt und ein paar Körner habe ich auch noch in den Beinen. Zum Glueck zuecke ich sofort mein Handy und erreiche Matz, der gerade einkaufen gehen will. "Morgen wäre schlecht, da will er mit seinen Freunden an die Westkueste, aber heute, gern, Ingrids Freunde sind auch meine Freunde" - Was fuer ein Glueck.! Ich fliege die letzten 50 km nach Åhus und bin puenktlich zum Abendessen da. Es gibt frisch geräuscherten Lachs, Krabben, Salat und Wein. Gegen Mitternacht mariniert Heinar (Konditor aus Bamberg) Erdbeeren (ich wuszte nicht, dass man das Einlegen in Zucker und Schnaps so nennen kann), die es als krönenden Abschluss auf Eis gibt. Ein herrlicher Abend mit anregenden Gesprächen. Auffällig dabei, dass die beiden deutschen Freunde von Matz in dicken Pullovern im Freien sitzen, während Matz und ich in kurzen Hosen herumspringen. Die beiden bitten ihn mehrmals vergeblich doch hinein zu gehen. Es wird immer mit einem "Bald, Gleich oder Später hinausgezögert. Wobei wir bei einer typisch schwedischen Angewohnheit wären: Da die Sommer kurz sind, nutzt man wirklich jede Minute die man im Freien und an der Sonne verbringen kann. - Matz Haus liegt wenige Meter hinter den Duenen. Ueberall im Kiefernwald verteilt liegen buntgefleckt die Sommerhäuser der Schweden. Am Abend hört man die Ostsee rauschen - fantastisch. - Die Frage nach dem schwedischen Jedermannsrecht kann Matz mir nicht wirklich beantworten, obwohl ja in jedem Reisefuehrer davon gesprochen wird.
Einschub: Heute ueberschreite ich die 1500 Kilometer und muss an meine erste grosze Tour 1990 mit Freddy denken, als wir mit den ersten 1000 DM 3000 Kilometer durch Europa radelten. (Da wäre nun Halbzeit. Doch wann ist bei dieser Tour Halbzeit. Ich werde es erst hinterher wissen.) Damals starteten wir am Bodensee und fuhren ueber die Schweiz, Frankreich, Italien, das damals noch existente Jugoslawien, Ungarn, Österreich, die CSSR direkt zurueck nach Sachsen. Einmal ärgerte ich mich, dass wir bewuszt keinen Fotoapparat mitgenommen hatten. Als wir eines Morgens, kurz nachdem wir unseren Schlafplatz in einem Kornfeld verlassen hatten, in ein kleines Dörfchen mit Namen "St. Oyen" kamen. Wahrscheinlich könnte ich mich gar nicht mehr daran erinnern, wenn das Bild in irgend einem Schubfach läge. Die 1000 Meter Anstieg nach Genua werde ich auch nie vergessen, als ein kläffender Hund direkt auf mich zulief und nur im letzten Moment durch ein Auto gestoppt wurde. Oder der Schlafplatz in einer alten Ruine, in der nachts die Ratten kamen. Oder das letzte Hotelzimmer in Wien - der Portier schaute schon etwas komisch, dass wir mit einem französischen Bett zufrieden waren - und wir erst, als wir mit Spiegel an der Decke die ganze Nacht aufeinander rollten. Mit unseren alten selbstgefeilten DDR-Fahrrädern waren wir oft beim Fahrrad-Doktor, obwohl der uns meist ob der Inkompatibilität unserer Teile mit den westlichen kaum helfen konnte. Obwohl wir unsere Räder wegen der schlechten Straszen in Jugoslawien mittels einer 200km-Zugfahrt schonten, kamen wir wortwörtlich auf den Felgen in Schmilka an, von wo aus wir unsere Räder in der S-Bahn nach Dresden brachten. - Ich habe ja in den letzten Tagen noch viel an meinem Rad herumgeschraubt, aber der Wechsel von Kette und Ritzelblock war wohl keine gute Idee. Irgendwie passen die Komponenten nicht zusammen. Die Kette springt. Wahrscheinlich muss da noch mal schwedische Wertarbeit her. Bis Stockholm sollten alle Wehwehchen behoben sein, denn dann wird es ja wirklich etwas einsamer.
12. Etappe: 30.07.2010 - Åhus - Schären bei Saxemara 106 km
(Am Abend zeigt der Tacho seit dem Start auf Usedom genau 1111 km, dazu kommen noch die 593 km auf dem Oder-Neisse-Radweg. Wir nähern uns der 2000)
Nach einem kleinen Fruehstueck und einer kurzen, aber herzlichen Verabschiedung verlasse ich Matz und seine Freunde. Wenige Meter hinter Åhus durchquere ich einen Truppenuebungsplatz der Armee, der fuer jedermann begehbar ist, sofern keine Schieszuebungen stattfinden. Die entnehme ich den Hinweisen an der Schranke, die heute geöffnet ist. Kurz darauf fahre ich einem rastalockigen, strickpulloverbekleideten Radler auf, mit dem ich mir die nächsten 50 km des Weges teilen werde. Moritz ist ein 19 jähriger Abiturient aus Potsdam, der nach einem Praktikum bei einem Bootsbauer auf Fehmarn etwa den gleichen Weg ueber Kopenhagen genommen hat. Da soll noch mal jemand sagen, die Jugend wäre träge. Ich habe schon eine ganze Menge junge, vor allem deutsche Radler auf meinem Weg kennengelernt. Nach einem Bier auf dem Markt von Sölvesborg trennen sich unsere Wege, denn Moritz will morgen mit der Fähre nach Danzig, von wo aus er den 3. Teil des Ostseeradweges, den ich ja ganz am Ende meiner Tour auch noch auf dem Programm habe, radeln wird. Kurz nachdem wir uns getrennt haben, setzt ein heftiger Sturm mit Starkregen ein, so dass ich im Sweden-Rock-Cafe auf dem Gelände eines der gröszten Open-Air-Festval-Gelände Zuflucht suche. Im Schnellrestaurant im amerikanischen Stil bekomme ich fuer 7,- Euro ein wirklich köstliches Menue: lecker Nudeln mit Hackfleisch (eine nicht zu schaffende Portion) mit Kaffee, von dem man landestypisch sich so oft holen kann, wie man schafft. Dazu stellt man sich einen typischen Vorspeiseteller aus Krautsalat, sauer eingelegtem Paprika und Gurken, Ananas und Dressing zusammen. Wasser gibt es auch gratis. So gestäkt radle ich in den Abend hinein, in der Hoffnung irgendwo ein Zimmer mit Bed & Breakf. zu finden. Leider ist das angestrebte voll ausgebucht. So beschliesze ich, mir irgendwo auf den Schären einen Zeltplatz zu suchen, was sich leider als unmöglich herausstellt, da die gesamte Halbinsel mit Sommerhäusern zugebaut ist. Zum Glueck lerne ich Lund kennen, der, nachdem er mich ein bissl "abgetastet" und sich als Dresden-Fan geoutet hat, mir eine wundervolle einsame Bucht empfiehlt, die den Sommerfrischlern als Badestelle dient. Es wird eine einsame, stuermische aber regenfrei Nacht, in der mein kleines Zelt seine Qualität unter Beweis stellen kann.
13. Etappe: 31.07.2010 - Saxemara - Karlskrona - 70 km
Obwohl es merklich kuehler geworden ist, begrueszt mich am Morgen die Sonne. Das Termometer, welches am Bootssteg im Wasser hängt zeigt 15 Grad. Doch ein kurzes Bad lasse ich mir nicht nehmen. Heute verfahre ich mich das erste Mal so richtig, denn der Highway, der mich auf direktem Wege weiterbringen wuerde, ist mit dem Rad unbefahrbar. Alle Wege von den Schären fuehren immerwieder ins Landesinnere, so dass ich mich nur im Zick-Zack durch die hueglige Landschaft bewegen kann. Dafuer gibt es hier kaum Verkehr. Heute finde ich auch endlich eine Tankstelle, die eine Gaskartusche fuer meinen Kocher hat, denn seit Dänemark bin ich ohne Gas. Als ich dort auf die Mon kam wunderte ich mich den ganzen Tag ueber den mich begleitenden Gasgeruch. Ich vermutete, das die Dänen vielleicht dort Erdöl & -Gas fördern. Doch als der Gasgeruch auch am Abend gleichbleibend mir anhaftete, stellte ich beim Untersuchen meines Seesackes fest, dass die Gaskartusche offenbar durch Reibung an irgend einem anderen metallischen Teil einen Riss bekommen hatte. Somit war alles im Seesack ordentlich eingegast. Blosz gut, dass niemand in meiner Nähe rauchte.
Heute beschliesze ich eine kurze Etappe einzulegen und bin bereits gegen 14.00 Uhr in Karlskrona - der nach Unesco-Angaben best erhaltensten Festungs- und Marinestadt Europas. Auf dem Markt werde ich gleich musikalisch von einem Frauenchor begleitet von einem jungen Pianisten begrueszt, der mich sofort an den preisgekrönten schwedischen Film "Wie im Himmel" erinnert. Heute ist in der Stadt ein Musikfestival, so dass ich mich nicht nur ueber die vielen kleinen Inseln, auf der diese Stadt liegt, sondern auch durch musikalische Veranstaltungen treiben lassen kann. Es gibt einen Mix aus Rock & Roll, Klassik und Sweden-Hard-Rock.